Produktideen bewerten: Ein 5-Punkte-Framework für schnelle Entscheidungen
Die meisten Ideenbewertungen dauern zu lange. Teams bauen komplizierte Scoring-Modelle, diskutieren wochenlang, und am Ende entscheidet trotzdem jemand aus dem Bauch.
Dieses 5-Punkte-Framework macht es anders: Fünf Fragen, 30 Minuten, eine Entscheidung. Kein Ersatz für tiefe Analyse – aber ein Filter, der 80% der schlechten Ideen aussortiert, bevor du Zeit investierst.
1. Pain-to-Payment-Ratio: Zahlt jemand dafür?
Die wichtigste Frage zuerst: Ist das Problem groß genug, dass jemand Geld dafür ausgibt?
Zwei Dimensionen:
- Schmerzintensität: Wie dringend ist das Problem?
- Zahlungsbereitschaft: Wer bezahlt – und wie viel?
Beispiel aus dem Gesundheitswesen:
Ein Krankenhaus-IT-Team kämpft mit manueller Dokumentation. Der Schmerz ist real – Überstunden, Fehler, Frustration. Aber: Das Budget liegt beim Einkauf, nicht bei der IT. Hoher Schmerz, komplizierter Zahlungsweg.
Dagegen: Eine Compliance-Lösung für BaFin-Anforderungen. Der Schmerz ist regulatorisch erzwungen, das Budget klar allokiert, die Alternative (Strafen) teuer. Hoher Schmerz, klare Zahlungsbereitschaft.
Faustregel: Regulatorischer Druck schafft oft die klarste Pain-to-Payment-Ratio.
2. Passgenauigkeit: Kannst du das bauen?
Eine gute Idee für jemand anderen ist keine gute Idee für dich.
Drei Fragen:
- Hast du die Fähigkeiten (oder Zugang dazu)?
- Kennst du die Domain?
- Hast du Zugang zur Zielgruppe?
Beispiel:
Eine Plattform für Versicherungsmakler klingt attraktiv. Aber: Kennst du die Branche? Hast du Kontakte zu Maklern? Verstehst du die regulatorischen Anforderungen (IDD, DSGVO, Vermittlerregister)?
Wenn du aus der Branche kommst: Hohe Passgenauigkeit. Wenn nicht: Du konkurrierst gegen Leute, die alle drei Fragen mit Ja beantworten.
Faustregel: Die besten Ideen kommen aus Problemen, die du selbst erlebt hast.
3. Nachhaltigkeit: Gibt es das in 5 Jahren noch?
Nicht jede Idee muss ein Jahrzehnt überleben. Aber du solltest wissen, worauf du dich einlässt.
Fragen zur Nachhaltigkeit:
- Ist das ein Trend oder ein strukturelles Problem?
- Was passiert, wenn große Player einsteigen?
- Welche regulatorischen Änderungen könnten kommen?
Beispiel:
Ein Tool für Cookie-Consent-Management war 2020 eine gute Idee. DSGVO war neu, der Markt fragmentiert. Heute: Konsolidiert, große Player dominant, Margen unter Druck.
Dagegen: Eine Plattform für Medizinprodukte-Zulassung (MDR). Regulatorische Komplexität steigt, nicht sinkt. CE-Kennzeichnung wird schwieriger. Das Problem wächst.
Faustregel: In regulierten Märkten ist Komplexität oft dein Burggraben.
4. Path to Validation: Kannst du es schnell testen?
Die beste Idee nützt nichts, wenn du 18 Monate brauchst, um sie zu validieren.
Frage: Was ist der kürzeste Weg zu echtem Kundenfeedback?
Schwierig zu validieren:
- Hardware mit Zertifizierungspflicht (CE, RoHS)
- Produkte, die in kritische Infrastruktur eingreifen
- Lösungen, die lange Beschaffungszyklen erfordern
Einfacher zu validieren:
- Software-Layer auf bestehender Hardware
- Beratung/Service als MVP vor Produktisierung
- Lösungen für Probleme mit kurzen Entscheidungszyklen
Beispiel:
Eine neue IoT-Sensorik für Gebäudeautomation? Zertifizierung dauert Monate. Ein Software-Dashboard, das bestehende Sensordaten visualisiert? Kannst du in Wochen testen.
Faustregel: Je länger der Validierungsweg, desto höher muss die Überzeugung sein.
5. Unfairer Vorteil: Warum gerade du?
Die unbequeme Frage: Was kannst du, was andere nicht können?
Arten von unfairen Vorteilen:
- Domain-Expertise: Du verstehst die Branche besser als Außenseiter
- Netzwerk: Du hast Zugang zu Kunden, den andere nicht haben
- Technische Fähigkeit: Du kannst etwas bauen, was andere nicht können
- Timing: Du bist zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Beispiel:
Du hast 10 Jahre in der Versicherungsbranche gearbeitet, kennst die IT-Landschaft, hast Kontakte zu Entscheidern. Das ist ein unfairer Vorteil für Insurance-Tech – nicht für eine Consumer-App.
Faustregel: Wenn du keinen unfairen Vorteil benennen kannst, hat ihn wahrscheinlich jemand anderes.
Anwendung: 30-Minuten-Bewertung
Für jede Idee:
| Kriterium | Score | Notiz |
|---|---|---|
| Pain-to-Payment | 1-10 | Wer zahlt? Wie dringend? |
| Passgenauigkeit | 1-10 | Domain, Skills, Netzwerk? |
| Nachhaltigkeit | 1-10 | Trend oder Struktur? |
| Path to Validation | 1-10 | Wie schnell testbar? |
| Unfairer Vorteil | 1-10 | Warum du? |
Interpretation:
- 40+ Punkte: Weitermachen, tiefere Analyse lohnt sich
- 25-40 Punkte: Kritische Schwächen identifizieren, ggf. Pivot
- Weniger als 25 Punkte: Nächste Idee
Das Framework ersetzt keine Discovery. Aber es verhindert, dass du Monate in Ideen investierst, die bei Frage 1 scheitern.