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Produktmanagement

Product Discovery in regulierten Umgebungen: Ein schlanker 3-Schritte-Prozess

4 min read

Discovery in regulierten Umgebungen hat ein Problem: Die Standardmethoden funktionieren nicht.

Teresa Torres' Continuous Discovery setzt auf wöchentliche Kundeninterviews und iteratives Lernen. In unregulierten Märkten funktioniert das. In Gematik-, BaFin- oder OZG-Projekten nicht – weil jede Iteration Compliance-Aufwand bedeutet.

Gleichzeitig ist "keine Discovery" keine Option. Wer baut, bevor das Problem klar ist, verschwendet Monate.

Dieser Artikel zeigt einen schlanken 3-Schritte-Prozess, der Discovery in regulierten Umgebungen praktikabel macht.

Das Problem mit Standard-Discovery

In unregulierten Märkten:

  • Du baust ein Feature, testest es, iterierst
  • Feedback-Zyklen dauern Tage
  • Pivots sind billig

In regulierten Umgebungen:

  • Jedes Feature durchläuft Compliance-Prüfung
  • Feedback-Zyklen dauern Wochen bis Monate
  • Pivots kosten Zertifizierungsaufwand

Konsequenz: Discovery muss vor dem Build abgeschlossen sein – nicht parallel dazu.

Der 3-Schritte-Prozess

Schritt 1: Problemdefinition (2-3 Tage)

Eine schlechte Problemdefinition ist der häufigste Grund für gescheiterte Features. In regulierten Umgebungen ist sie fatal – weil du nicht einfach "nochmal iterieren" kannst.

Schlechte Problemdefinition:

"Nutzer haben Probleme mit der ePA-Integration."

Gute Problemdefinition:

"65% der Apotheker brechen die ePA-Abfrage ab, weil der Prozess mehr als 3 Klicks erfordert und keine Rückmeldung gibt, ob die Verbindung steht."

Kriterien für gute Problemdefinitionen:

  • Präzise: Ein Satz, keine Interpretation nötig
  • Messbar: Enthält Zahlen oder klare Kriterien
  • Kundenorientiert: Aus Nutzerperspektive formuliert
  • Lösungsneutral: Beschreibt das Problem, nicht die Lösung

Datenquellen in regulierten Umgebungen:

  • Support-Tickets und Hotline-Protokolle
  • Nutzungsdaten aus dem Live-System
  • Stakeholder-Interviews (Ärzte, Apotheker, Sachbearbeiter)
  • Feedback aus Schulungen und Onboardings

Zeitinvestition: 2-3 Tage. Nicht mehr. Wer länger braucht, hat zu wenig Fokus oder zu wenig Daten.


Schritt 2: Hypothesen entwickeln und priorisieren (3-5 Tage)

Eine Hypothese ist eine testbare Annahme. Sie verbindet Problem und Lösung.

Struktur:

"Wenn [Aktion], dann [erwartetes Ergebnis], gemessen an [Metrik]."

Beispiel:

"Wenn wir die ePA-Abfrage auf einen Klick reduzieren und einen Verbindungsstatus anzeigen, dann sinkt die Abbruchrate von 65% auf unter 30%, gemessen an der Completion Rate im Live-System."

Priorisierung mit Fokusmatrix:

Niedriger AufwandHoher Aufwand
Hoher ImpactSofort umsetzenPlanen
Niedriger ImpactQuick WinsIgnorieren

In regulierten Umgebungen gilt zusätzlich: Compliance-Aufwand bewerten. Ein Feature mit niedrigem Dev-Aufwand kann hohen Zertifizierungsaufwand haben.

Fragen zur Priorisierung:

  • Wie groß ist der Impact auf die Kernmetrik?
  • Wie hoch ist der Entwicklungsaufwand?
  • Welche Compliance-Prüfungen sind erforderlich?
  • Können wir vor der Implementierung validieren?

Schritt 3: Hypothesen testen (1-2 Wochen)

Testen heißt nicht: Feature bauen und ausrollen. Testen heißt: Validieren, bevor du Compliance-Aufwand investierst.

Testmethoden in regulierten Umgebungen:

MethodeWann geeignetCompliance-Aufwand
Klick-Dummy / PrototypUX-HypothesenKeiner
Wizard-of-Oz (manuell im Hintergrund)Prozess-HypothesenGering
A/B-Test im Live-SystemValidierte HypothesenHoch
Stakeholder-InterviewsBedarfs-HypothesenKeiner

Beispiel aus einem Gematik-Projekt:

Hypothese: Apotheker brechen ab, weil sie nicht wissen, ob die ePA-Verbindung steht.

Test: Klick-Dummy mit Verbindungsstatus-Anzeige, getestet mit 8 Apothekern.

Ergebnis: 7 von 8 bestätigten, dass der Status ihr Hauptproblem lösen würde.

Nächster Schritt: Feature spezifizieren, Compliance-Prüfung starten.

Nach dem Test: Bewerten und iterieren

Fragen nach jedem Test:

  • Wurde die Hypothese bestätigt?
  • Was haben wir gelernt?
  • Was ist der nächste Schritt?

Wenn bestätigt: Implementierung planen, Compliance-Prozess starten. Wenn nicht bestätigt: Neue Hypothese formulieren oder Problem neu definieren.


Warum dieser Ansatz funktioniert

Vergleich mit Continuous Discovery:

AspektContinuous DiscoveryDieser Ansatz
ZeitrahmenLaufend, wöchentlichEpisodisch, 2-3 Wochen
KundeninterviewsWöchentlichGezielt pro Hypothese
IterationParallel zum BuildVor dem Build
Compliance-FitNiedrigHoch

Continuous Discovery ist nicht falsch – aber für regulierte Umgebungen nicht praktikabel. Der 3-Schritte-Prozess liefert validierte Entscheidungen, bevor Compliance-Aufwand entsteht.

Für wen geeignet:

  • Teams in Gematik-, BaFin- oder OZG-Projekten
  • Produktmanager unter Zeitdruck
  • Organisationen ohne etablierte Discovery-Kultur

Zusammenfassung

SchrittZeitaufwandOutput
1. Problemdefinition2-3 TagePräzises, messbares Problem
2. Hypothesen3-5 TagePriorisierte, testbare Annahmen
3. Testen1-2 WochenValidierte Entscheidungsgrundlage

Gesamt: 2-3 Wochen statt monatelanger Discovery-Zyklen.

In regulierten Umgebungen zählt nicht, wie oft du iterierst. Es zählt, dass du vor dem Build weißt, was du baust – und warum.